Beverungen (TKu). Atommüll-Fässer in der Weser? Für einen Nachmittag lang hat die Bürgerinitiative „Lebenswertes Bördeland und Diemeltal e.V.“ mit einer solchen Aktion auf die Gefährlichkeit des geplanten Zwischenlagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Würgassen inmitten eines Hochwassergebietes hingewiesen. Die Bürgerinitiative warf die gelben Kunststoffbehälter am Mittwochnachmittag kurzerhand in die Weser in Höhe des Bootshauses in Beverungen. Bei einer Jahrhundert-Flutkatastrophe, wie es im Juli 2021 im Ahrtal der Fall gewesen ist, würden die Behältnisse nun wohl stromabwärts treiben. Für die Protestaktion haben sie die Mitglieder der BI aber mit Draht am Ufer gesichert. Auch wenn so ein Ereignis vielleicht nur alle hundert oder tausend Jahre vorkomme, so sei die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, betonte der unabhängige Geologe und Sachverständige Dr. Claus Schubert aus Hofgeismar, der neben einer Flutkatastrophe auch geologische Gefahren anführte, die tief unter der Erde ihren Ursprung haben. Es sei wahrscheinlich, dass der Standort geologisch instabil sei, so Schubert. „Da es sich bei dem geplanten Vorhaben um ein Zwischenlager handelt, ist das Bauvorhaben unabdingbar der Geotechnischen Kategorie 3 zuzuordnen, die zwingend umfangreiche Baugrunduntersuchungen bis in alle das Bauvorhaben potentiell betreffende Schichten und Tiefen erfordert“, stellte der unabhängige Geologe und Sachverständige klar. Und das sei bisher weder erfolgt, noch vorgesehen. Der Katastrophenfall ist vergleichsweise deutlich verheerender: „Die gesamte rechte Weserseite im Bogen bis hin zur Landesgrenze wird komplett überflutet, wovon die gesamte Ortslage, das ehemalige Kraftwerksgelände und die Campingplätze betroffen sind“, verdeutlicht Dr. Claus Schubert. Bei einem Katastrophenereignis reichten die Überschwemmungsflächen teilweise über die Heristalstraße hinweg. Auch die Tatsache, dass ein Teil des Campingplatzes in direkter Nachbarschaft aus Hochwasserschutzgründen umgesiedelt werden müsse, werfe die Frage auf, warum Zelte und Wohnwagen am selben Standort ein Problem im Hinblick auf die Hochwassersituation darstellen sollen, während dies bei gigantischen Erdaufschüttungen von rund 50.000 Kubikmetern und den damit einhergehenden Flächenverdichtung auf dem Gelände nicht der Fall sein soll. Dies widerspreche nicht nur den Anforderungen des Bundesamtes für Strahlenschutz und der Entsorgungskommission sondern auch den Empfehlungen des Aktionsplans Weser. Das Hochwasserereignis am 19. Juni 1965 mit schweren Unwettern in Nordhessen, Ostwestfalen und Südniedersachsen habe laut Edith Götz zu einem katastrophalen Hochwasser geführt, von dem Bad Karlshafen besonders betroffen war. Die Bezeichnung eines Jahrhundert-Hochwassers besage laut Götz, dass es statistisch gesehen pro Jahr eine einprozentige Wahrscheinlichkeit eines solchen Hochwassers gäbe.

Die Protestaktion richtete sich nicht nur an die zuständige Politik, sondern auch an alle Weseranrainer flußabwärts, für die radioaktiv verunreinigtes Weserwasser oder im Wasser treibender radioaktiver Sondermüll eine Gefährdung bedeute. Der Sondermüll würde sich im Zwischenlager Würgassen in beweglichen Behältnissen befinden und daher nicht sicher gelagert werden, betonte Schubert. Analog dazu sei laut der Bürgerinitiative das Beispiel des Salzbergwerks Asse 2 zu nennen, wo ebenfalls schwach- und mittelradioaktive Abfälle lagern. Im Salzbergwerk, das sich etwa zehn Kilometer südöstlich von Wolfenbüttel befindet, rotten 126.000 Atommüll-Fässer seit Jahren im Wasser vor sich hin, erklärt Edith Götz von der der BI „Lebenswertes Bördeland und Diemeltal e.V.“. Niemand wisse sicher, ob eine Bergung gelingt. Auch in Wolfenbüttel habe man die Geologie und die Macht des Wassers falsch eingeschätzt oder bekannte Risiken sogar bewusst ignoriert, wie Edith Götz näher ausführte. Die Vertreter der Bürgerinitiative griffen die Politik scharf an: „Die Ignoranz der Politik und die Inkompetenz der technisch Verantwortlichen müssen nicht nur die Ortsansässigen mit einem unkalkulierbaren Risiko, sondern auch die Steuerzahler milliardenschwer bezahlen. In Würgassen droht jetzt die Wiederholung“, sagte Hubertus Hartmann, der die Protestaktion moderierte. Das 15 Zentimeter Aufschüttung des Geländes zur Herstellung der Hochwassersicherheit für das Zwischenlager laut der Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) ausreichen würden, hält die Bürgerinitiative für einen Witz. Falsch berechnete Ablaufmengen der Weser hätten zu dem Ergebnis der Aufschüttungshöhe geführt. Die BI geht hingegen von einer erforderlichen Aufschüttung des Untergrundes von einem halben Meter und mehr aus.

Die Mitglieder der Bürgerinitiative befürchten bei Inbetriebnahme eine lange Laufzeit des Zwischenlagers, das vielleicht zum ausgereizten Endlager mutieren könnte, wenn es zum Aus für das Endlager am Schacht Konrad kommt, wie die BI vermutet. Ohne Schacht Konrad würde jegliche Sachgrundlage für das Eingangslager Würgassen entfallen, so Edith Götz von der Bürgerinitiative. Die BI kritisiert die Standortauswahl scharf. „Die intransparente Standortauswahl genauso wie das Scoring der in die Auswahl einbezogenen Flächen erfolgte unter Ausschluss der Öffentlichkeit, der betroffenen Kommunen und ohne Diskurs innerhalb der Fachwelt. Eine unabhängige Datenerhebung sowie die Evaluierung des gesamten Auswahlprozesses fand nicht statt. Die nicht nachvollziehbare Auswahl und Gewichtung der Kriterien wurde nicht ausreichend begründet und keinem öffentlichen und fachlichen Review unterzogen,“ erklärt Edith Götz.

Atommüll-Fässer treiben in der Weser – Bürgerinitiative veranstaltet Protestaktion in Beverungen https://brakel-news.de/region-aktiv/7568-atommuell-faesser-treiben-in-der-weser-buergerinitiative-veranstaltet-protestaktion-in-beverungen.html

Gepostet von Brakel- und Bad Driburg News am Donnerstag, 13. Januar 2022

 

Fotos/Video: Thomas Kube