Bökendorf (red). Am 10. Januar 1797, also vor genau 225 Jahren, erblickte die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff auf dem Wasserschloss Hülshoff bei Münster das Licht der Welt. Sie wurde in eine Zeit der gesellschaftlichen und politischen Umbrüche hinein geboren. So veränderten beispielsweise die Napoleonischen Kriege die Landkarte Europas und die beginnende Industriealisierung hatte große Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Droste hingegen wurde wohlbehütet erzogen in der Abgeschlossenheit der westfälischen Adelswelt. Sie begann früh zu schreiben, zunächst noch ganz im Sinne biedermeierlicher Familienkultur.
Nur selten hatte Droste Gelegenheit, den engen Grenzen des Elternhauses zu entfliehen. Neben kleineren Ausflügen in die Umgebung sorgten in der Jugendzeit nur einige Besuche in Bökendorf für Abwechslung. Hier im „Paderborner Land“ hatte die Verwandtschaft ihrer Mutter, die Familie von Haxthausen, ihren Wohnsitz. Auf dem Gut Bökerhof besuchte sie ihre Großeltern und traf auf eine große Schar von Onkel und Tanten, von denen einige nahezu im gleichen Alter wie die Dichterin waren. Droste machte auch Bekanntschaft mit dem großen Freundeskreis der Familie Haxthausen.
So traf die Dichterin in Bökendorf unter anderem mit den Brüdern Grimm und weiteren Literaten zusammen. Dieser illustere Kreis junger literaturbegeisterter Leute, die sich im Haus Bökerhof trafen, wird später in der Literatur als „Bökendorfer Romantikerkreis“ bezeichnet. Auch Droste beteiligte sich in dieser Zeit, allerdings mit wenig Begeisterung, am Sammeln von Sagen, Märchen und literarischem Volksgut.
Im Jahr 1820 wurde der Bökerhof Schauplatz der sogenannten "Jugendkatastrophe", wie in der Literatur das unglückliche, dramatische Ende der Verbindung der 23-Jährigen zu dem Göttinger Jurastudenten Heinrich Straube bezeichnet wird. Vor dem Hintergrund dieser existentiellen Erschütterung veränderte sich Drostes Schreibstil; ihre Texte gerieten zu persönlichen Bekenntnissen, in denen auch immer wieder Glaubenszweifel thematisiert wurden. Die Jugendkatastrophe ist nur einer von mehreren persönlichen (Um-)Brüchen im Leben der Annette von Droste-Hülshoff.
Literaturhistorisch bedeutsam ist auch die Tatsache, dass die junge Droste in Bökendorf durch Erzählungen ihres Großvaters von den realen Umständen des Mordes an einen Handelsjuden aus Ovenhausen erfahren hat, welcher sich im Jahr 1783 in der Gegend von Bökendorf ereignet hatte. Diese Begebenheiten setzte Annette von Droste-Hülshoff später literarisch um: entstanden ist ihre Meisternovelle „Die Judenbuche“ (1842) als eigenständiges Werk.
Der 225. Geburtstag der Dichterin wird an den bekannten Droste-Orten Hülshoff, Rüschhaus, Münster und Meersburg sicherlich in besonderer Weise gefeiert. Doch auch Bökendorf war im Leben der „Fräulein Nette“ prägend und somit gedenkt man auch hier der großen Dichterin.
Aus Anlass des Jubiläums bietet der Naturparkführer Bernhard Aufenanger aus Bökendorf in diesem Jahr wieder verschiedene Droste-Themenwanderungen an, zum einen zu den hiesigen Aufenthaltsorten der Dichterin und zum anderen zum Original-Standort der Judenbuche. Geplant ist außerdem eine Vier-Jahreszeiten-Wanderung auf dem 46 Kilometer langen „Annette-von-Droste-Hülshoff-Weg“, der von Marienmünster über Bökendorf und Bad Driburg bis nach Herbram-Wald führt. Diese ganz spezielle Wanderung in mehreren Etappen wird in den verschiedenen Jahreszeiten stattfinden und der erste Teil von Marienmünster nach Bökendorf startet im Mai, wenn die Corona-Lage hoffentlich wieder besser sein wird. Ausführlichere Informationen zu den Wanderungen folgen rechtzeitig zu gegebener Zeit. Für interessierte Gruppen, Vereine oder Schulklassen offeriert Aufenanger eine individuelle Terminabsprache für Droste-Führungen sowie einen interessanten Bildervortrag über die Beziehungen der Dichterin zu Bökendorf.
Vorab-Informationen erhalten Interessierte beim Wanderführer unter der Mail-Adresse „
Interessierte können sich auf jeden Fall das ganze Jahr über im „Ludowinengarten“ in Bökendorf an einer Audio-Stele über das Leben der Dichterin und ihre Beziehung zu Bökendorf informieren. Übrigens: anlässlich des 225. Geburtstages von Annette von Droste-Hülshoff hat die Bundesregierung eine 20-Euro-Sammelmünze prägen lassen und gibt zudem eine Sonderbriefmarke heraus. Beides würdigt die bekannte deutsche Schriftstellerin und Komponistin, die zu den bedeutendsten deutschsprachigen Dichtern des 19. Jahrhunderts zählt und die eine sehr enge Verbindung zum Kreis Höxter hat.
Mehr Informationen dazu gibt es unter www.bundesfinanzministerium.de.
Foto: Bernhard Aufenanger