Bosseborn-Brakel (TKu). Von Juni 1966 bis zum 30. Mai 1994 war in Brakel das belgische Artilleriebataillons 43A stationiert, das gleich mehrere Stellungen mit mobilen Flugabwehrraketen vom Typ MIM-23 HAWK unterhalten hat. Befehligt wurde diese belgische Einheit vom Kontrollcenter (CRC) Erndtebrück aus. Zum Batallion 43A gehörten das Bataillon Operation Center Rheder, die Raketenstellungen Tietelsen (Alfa), Willebadessen (Charlie), Bad Driburg (Delta) und die Bravo Batterie nahe Bosseborn im Bodexer Wald, die wir als Lost Place vorstellen möchten. Das Gelände befindet sich zwar näher an Bosseborn, gehört aber territorial gesehen zu Brakel.

Hier war die sogenannte Bravo Battery (B-Btry Bosseborn) stationiert. Verlassen, verwüstet, verwildert und teilweise von der Bevölkerung vergessen? Nicht ganz – Auf Facebook existiert eine nicht Öffentliche Gruppe namens „43A HAWK Bataljon Brakel“, in der sich viele ehemalige belgische Soldaten aus dieser Einheit noch heute fachlich wie privat austauschen. Viele Gebäude der ehemaligen Nato-Einheit sind bereits abgerissen worden, die anderen sind dem Verfall preisgegeben worden, die Kameradschaft der ehemaligen HAWK-Einheit besteht jedoch bis heute fort. Das etwa zehn Hektar große Gelände prägen asphaltierte Wege, spärlicher Bewuchs und etwa zehn eingeschossige Gebäude.Nun erobert sich die Natur das Gelände nach und nach zurück. Fast alle Häuser weisen sowohl innen als auch außen Vandalismusschäden auf. Rudy Vogels, ehemaliger belgischer Soldat an diesem Standort berichtet, was heute noch an Gebäuden vorhanden ist.

Erhalten sind beispielsweise noch drei Transformatorengebäude, in denen Transformatoren den Strom von 220 Volt auf 416 Volt umgewandelt haben. Mitten im Grünen steht auch noch der alte Schützenstand, der gedacht war, die Verteidigung des Standortes zu gewährleisten. Bestückt war dieser mit einem großkalibrigen Geschütz (Kaliber 50) Weiterhin mehr schlecht als Recht erhalten ist das alte Kommandogebäude für Einheitsführer und Administratoren. Hier haben die Experten Probleme diskutiert, bis ihnen die Köpfe rauchten, sagt Rudy Vogels. Im größten Gebäude des Geländes stand das sogenannte “Ready Building“. Dort waren Mannschaftsraum sowie Küche untergebracht. Der Wachhabende Offizier (BCO) hatte hier sein Büro. Ein kleiner Raum für das Wachpersonal und Funker gehörte ebenfalls dazu. Es gab Schlafräume sowie einen größeren Sanitärtrakt. Später wurden dort zusätzlich mehrere Quadratmeter für den Unterhalt freigemacht, berichtet Vogels. Die alten Blechbaracken, die heute nur noch als Blechschrott am Boden liegen, dienten als Unterstand für die sogenannten „Loader“. Das sind laut Vogels Fahrzeuge, die dafür gedacht waren die Flugabwehrraketen zu transportieren und auf die Abschussvorrichtung (Launcher) zu legen. „Von diesen Fahrzeugen hatten wir 3 Stück“, erklärte Rudy Vogels. In den 50er Jahren wurde das Flugabwehrraketen-Waffensystem HAWK für die US-Army entwickelt und eingeführt. Anfang der 60er Jahre beschaffte auch die deutsche Luftwaffe das System. Auftrag der HAWK-Verbände war die Bekämpfung von Flugzielen in tiefen bis mittleren Flughöhen bei einer Einsatzreichweite von ca. 40 km. Mehrfach umgerüstet, modernisiert und umstrukturiert, stellte das Waffensystem neben der Nike und später PATRIOT das zweite Standbein der Nato-Luftverteidigung in Mitteleuropa dar.

Die mobilen HAWK-Batterien hatten das Ziel, die Bodentruppen gegen Luftangriffe in geringer Höhe zu schützen. In Friedenszeiten gab es dafür feste Positionen in Deutschland , berichtet Marc De Grande, ein ehemaliger belgischer Soldat, der beim Artilleriebatallions 43A stationiert gewesen ist. Warum waren die Belgier im Kreis Höxter stationiert? Auf der Potsdamer Konferenz am 17. Juli 1945 wurde Deutschland von den Siegermächten Russland, USA, Frankreich und Großbritannien in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Dabei wurde der Belgischen Armee der Sector East zugeordnet (Nordrhein Westfalen). Der Sector East umfasste ein Gebiet von Köln bis Paderborn und Kassel. Mit dem Beitritt Deutschlands zur Nato im Jahre 1955 wurde der Besatzungsstatus aufgehoben. Die belgischen Streitkräfte blieben aber weiterhin im Rahmen des Nato-Auftrages in der Bundesrepublik Deutschland. Mit dem Mauerfall sind die belgischen Streitkräfte in Deutschland nach und nach reduziert worden, bis sie sich nach 62 Jahren, am 07. Juni 2002, komplett aus Deutschland zurückgezogen haben. Was aber passierte nach dem Abzug der Belgischen Truppen im Jahr 1994? Erstmal jedenfalls nichts! Da sich das Gelände sehr gut für eine Rettungsübung eignete, konnte das Deutsche Rote Kreuz vor 10 Jahren, am 28. Juni 2010, eine großangelegte Übung der Rettungskräfte vollziehen, bei der eine simulierte Bombenexplosion angenommen wurde (Massenanfall von Verletzten). Mit geschminkten Brandwunden und anderen Verletzungen waren die Verletztendarsteller überall auf dem Gelände platziert worden. Zur Vermisstensuche kam dabei auch eine Rettungsstaffel zum Einsatz. 

Im Februar 2011 hat die Stadt Brakel bekannt gegeben, dass sie das ehemalige Nato-Gelände im Modexer Wald erworben hat. Um zu schauen, was man aus dem Gelände machen kann, fand am 12. Januar 2011 eine Ortsbegehung statt. Auf Anregung des Brakeler Forstbeamten Eckhard Rottmann sollte das Gelände wieder seiner natürlichen Entwicklung überlassen werden, wobei eine Aufforstung nicht vorgesehen war. Gebäude und Umzäunung sollten abgerissen und die asphaltierten Flächen entsiegelt werden. Eine weitere Überlegung war, im Eingangsbereich des Geländes einen Löschwasserteich oder ein Biotop anzulegen. Auch eine Waldschule war im Gespräch. Am 10. Dezember 2011 gab der Rat der Stadt Brakel grünes Licht für eine Bodendeponie an dieser Stelle für die Bauarbeiten eines Speicherkraftwerkes im Bereich Amelunxen/ Bosseborn, welches aber bis heute nicht realisiert worden ist.

Fotos: Thomas Kube